Das 900.000 € teure Eigenlob

Ist das schon die Endabrechnung des Schlossfestivals vom vergangenen Jahr? Mitnichten.

Jetzt endlich hat man die Katze aus dem Sack gelassen, nachdem aus der Mitte des Gemeinderats – ehrlich gesagt, es war die FDP-Fraktion – der Antrag kam, das Schlossfest vom vergangenen Jahr endlich öffentlich abzurechnen. Die Stadt Bruchsal und die BTMV (Bruchsaler Tourismus, Marketing und Veranstaltungs GMBH) konnten daher nicht anders, als in einer gemeinsamen Pressemitteilung immerhin eines publik zu machen, nämlich das, was sie dem Gemeinderat und der Öffentlichkeit als ihr Fazit des Schlossfestivals verkaufen wollten, das sie unverfroren als „im Herzen der historischen Stadtkulisse“ verortet haben. Als ob das Barockschloss das Herz der Stadt-Kulisse von Bruchsal wäre, auch der zentrale Ort der Stadtgeschichte. Soviel unverfrorene Geschichtsfälschung gab es selbst in Bruchsal noch nie: Die BTMV und die Stadtverwaltung bezeichnen das Schloss als „Herz der historischen Stadtkulisse“. Geht`s noch?

Unverfroren auch die Selbstdarstellung der verantwortlichen Veranstalter des Festivals. Dazu der Wortlaut der Pressemitteilung:

Die Bruchsaler Tourismus, Marketing und Veranstaltungs GmbH ist ein kommunales Unternehmen der Stadt Bruchsal, der bevölkerungsreichsten Gemeinde im Landkreis Karlsruhe im Bundesland Baden-Württemberg. Die Bruchsaler Tourismus, Marketing und Veranstaltungs GmbH führt für die Stadt Bruchsal Veranstaltungen aller Art durch und berät die Stadt Bruchsal bei der Konzeption, Durchführung und Umsetzung des Stadtmarketings. Ihr Geschäftsführer Herr Frank Kowalski ist ein erfahrenerer Eventmanager und hat vielfältige Erfahrungen im Bereich des Stadtmarketing, der Eventgastronomie und Veranstaltungsplanung gesammelt. Das Schlossfestival ist eine gemeinsame Initiative der Bruchsaler Tourismus, Marketing und Veranstaltungs GmbH, der Stadt Bruchsal und der Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick zur Förderung städtischer Veranstaltungsreihen. Sie ist Teil des städtischen Marketingkonzeptes.  

Ein starkes Stück bei einem Defizit, das man so ganz nebenbei mit 900.000 Euro bezifferte, wobei auffallen muss, dass in der Pressemitteilung das Defizit nicht in Zahlen geschrieben wurde, die ja sofort ins Auge stechen. Nein, man hat die Summe in Worte gefasst und damit – wohl mit Absicht – nahezu unscheinbar im Text versteckt:

„Das negative Ergebnis der Veranstaltung von rund neunhunderttausend Euro, konnte auch nicht durch Sponsoreneinnahmen gedeckt werden. Die soliden Finanzen der Gesellschaft erlauben es, das Ergebnis der Veranstaltung auszugleichen. Das Defizit muss in den kommenden Jahren durch Überschüsse im Wirtschaftsbetrieb u.a. im Veranstaltungsbereich ausgeglichen werden. Ein Ausgleich durch die Stadt und somit durch Steuergelder ist in diesem Aufgabenbereich der BTMV nicht zulässig.“

Wie beruhigend, dass die steuerzahlende Bevölkerung jetzt doch nicht zur Begleichung dieses städtischen Größenwahns herangezogen werden kann. Nur: Hat die BTMV als städtische Tochtergesellschaft in den letzten Jahrzehnten entsprechende Überschüsse abgeliefert, dass sie guten Gewissens davon ausgehen kann, diese Schuld tatsächlich auch aus eigener Ertragskraft abdienen zu können? Der Stadtkämmerer kann dazu sicherlich fundierte Aussagen machen.

Zu fragen wäre auch, um welche Sätze dann Mieten, Eintritte, Garderoben- und Parkgebühren angehoben werden müssen, um diese Summe in einem auch nur einigermaßen erträglichen Zeitraum abzutragen, wenn das überhaupt möglich ist, das heißt, wenn der BTMV und ihren Gastronomie-Mietern zum Beispiel bei den dann zu erwartenden Preiserhöhungen nicht die Kunden in Scharen davon laufen.

Noch ein wichtiger Aspekt: Diese Pressemitteilung ist keine Abrechnung. Zu einer Abrechnung gehören detaillierte Aufstellungen der Einnahmen und der Kosten, auch der Fremdleistungen, die in Anspruch genommen wurden, ohne verrechnet worden zu sein. Zum Beispiel die Arbeits- samt Überstunden, die im Personalhaushalt der Stadt Bruchsal versteckt wurden. Oder die Überstunden und zusätzlichen Arbeitskräfte der BTMV, von den vielen Freiwilligen, die angeworben wurden, ganz zu schweigen. Alleine diese Zahlen wären zum Beispiel unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs mit privat-wirtschaftlichen Veranstaltern einmal zu überdenken. Was sagen die eigentlich dazu? Oder die Frage, welchen Beitrag die Stadt Bruchsal selbst mit dem Kauf von Ticket-Kontigenten zu den Einnahmen des Festivals geleistet hat, die sie dann großzügig verteilt hat, wer auch immer die Nutznießer dieses Sponsorings der öffentlichen Hand waren. Kosten, die dann doch vom Steuerzahler aufzubringen waren, oder etwa nicht?

Oder die Frage, was sich die BTMV die Einladungen von so genannten „Ehrengästen“ kosten ließ, samt deren Unterbringung und Verpflegung. Waren diese „Sonderleistungen“ in jedem Fall gerechtfertigt oder ging es da eher um eine großzügige Selbstdarstellung der „Festival-Macher“ bei der entsprechenden Nomenklatur aus welchen deutschen Landen auch immer? Wäre es nicht an der Zeit, all diese Fragen von einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft untersuchen und testieren zu lassen? Ist das real erzielte Defizit dieses Bruchsaler Sommertraums dann nicht doch weitaus höher? Haben sich man/frau das alles nicht schön gerechnet, um wenigstens die Millionengrenze nicht zu überschreiten? Fragen über Fragen, die in einer seriösen Abrechnung ehrlich zu beantworten sind. Eine schwurbelige Pressemitteilung reicht dazu nicht, so gekonnt sie auch immer gedrechselt wurde.

Noch zwei Anmerkungen zum Schluss: Im nächsten Jahr begehen wir das 175-jährige Jubiläum der Badischen Revolution und das dann hoffentlich wirklich im Herzen der Stadtkulisse, der „bürgerlichen Stadtkulisse“. Die Frage ist doch berechtigt: Welches Defizit dürfen die Feierlichkeiten zur „Demokratiewerdung“ Bruchsals verursachen, auch wenn diese Volks-Erhebung alles andere als erfolgreich war, weil sie von der feudalen Obrigkeit mit Gewalt nieder geschlagen wurde?

Eine zweite Anmerkung: Kurz nach dem Schlossfest hat sich die Verwaltung der Schlösser und Gärten des Landes zu weiteren Festivals dieser Art auf recht kryptische Weise geäußert, soweit ich mich erinnere. Es hieß damals etwa so:

Wenn die Stadt Bruchsal noch einmal den Mut aufbringt für ein solches Festival, werde man sich dem nicht entziehen.

Vielleicht überlegen sich die Mitglieder des Gemeinderats einmal, was sie im Kommunalwahlkampf im nächsten Jahr ihren Wählerinnen und Wählern erzählen, wenn sie auf das Defizit dieses Schlossfestes angesprochen werden.

Oder lassen sie sich noch einmal von der BTMV und ihrem Chef einlullen, der sich in der Pressemitteilung als „erfahrenerer Eventmanager mit vielfältigen Erfahrungen im Bereich des Stadtmarketing, der Eventgastronomie und Veranstaltungsplanung“ selbst feiern durfte. Er gab dabei auch folgendes von sich:

„Das Veranstaltungserlebnis konnten wir schon bei der ersten Durchführung und trotz unvorhergesehener und kurzfristig auftretender Erschwernisse so umsetzen, wie wir es uns für unsere Besucherinnen und Besucher vorgestellt hatten. Die Bruchsaler Tourismus GmbH schafft einen Mehrwert für die Wahrnehmung der Stadt. Wir konnten mit unseren Partnern entscheidende Erfahrungen machen. Das bestehende Konzept werden wir ausführlich mit unseren Partnern und den Beteiligten weiter erörtern. Die so erkannten Risiken werden wir mit unserer Erfahrung senken und die die Veranstaltung zu einer erfolgreichen Institution in den Reihen der Veranstaltungen der Stadt Bruchsal ausbauen. Wir sind überzeugt, dass das ein innovatives und zukunftsfähiges Konzept ist, das die kulturelle Identität der Stadt Bruchsal hervorragend unterstreicht“.

Ob die Verantwortlichen der Stadt Bruchsal im Gemeinderat und in der Verwaltung noch einmal „den erforderlichen Mut aufbringen“ und eine weitere Auflage dieser von Anfang an in weiten Kreisen der Stadtgesellschaft umstrittenen One-Man/One-Woman-Show abnicken? In der Überschrift der Pressemitteilung findet sich das verheißungsvolle Versprechen:

„Städtische Gesellschaft sieht Chancen für zukünftige Entwicklung des Konzeptes“

Gemeint ist damit die BTMV als städtische Tochter und ihr Schlossfest. Ob aber die Stadtgesellschaft in ihrer Mehrheit das genauso sieht????

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